Maja kommt nach der Pause immer als Letzte ins Zimmer. Sie wartet auf der Toilette, bis sie sicher sein kann, dass ein Lehrer in der NĂ€he ist. Viel zu groĂ ist ihre Angst, Mirjam und ihre Freunde allein anzutreffen. Haben Sie Hinweise auf Mobbing in Ihrer inklusiven Klasse gefunden, sollten Sie möglichst professionell darauf reagieren. Sichern Sie Ihre Beobachtungen auf verschiedenen Wegen ab, und ergreifen Sie dann entsprechende MaĂnahmen, die Ihren SchĂŒlern helfen.
In vielen Klassen funktioniert die Inklusion von SchĂŒlern mit Migrationshintergrund oder Behinderung nicht reibungslos. So gut wie in jedem deutschen Klassenzimmer finden kleinere und gröĂere Mobbing-VorfĂ€lle statt. Sie als Lehrkraft sind in der Pflicht durchzugreifen, wenn Sie Hinweise auf Mobbing in Ihrer inklusiven Klasse finden. Gehen Sie dabei behutsam und dennoch effektiv vor: Ihre SchĂŒler mĂŒssen wissen, dass Sie Mobbing unter keinen UmstĂ€nden dulden.
Sichern Sie Ihre Wahrnehmung ab
Wenn Sie erste Hinweise auf Mobbing in Ihrer Klasse entdeckt haben, sollten Sie diese genauer prĂŒfen. FĂŒhren Sie GesprĂ€che mit Ihren Kollegen. Wer auch in dieser Klasse unterrichtet, hat möglicherweise ebenfalls Beobachtungen gemacht, die wichtig sind. Auch Kollegen, die Ihre Klasse nicht kennen, sollten z. B. wĂ€hrend der Pausenaufsicht die Augen offen halten. Ăberlegen Sie im Kollegium, ob verstĂ€rkt die Toiletten in den Pausen kontrolliert werden sollten. Hier passieren oft unvorstellbare Dinge, und nicht selten sind sie der Ort, an dem die Mobbing-Angriffe stattfinden.
Die Faustregel fĂŒr Mobbing
Haben Sie Mobbing-Hinweise in Ihrer Klasse gefunden, sollten Sie Ihre Vermutungen notieren und umfassend ĂŒberprĂŒfen. Sprechen Sie mit beteiligten und unbeteiligten SchĂŒlern. Kommen Sie gemeinsam mit Kollegen dabei zu dem Ergebnis, dass ein regelmĂ€Ăiger Machtmissbrauch stattfindet, mĂŒssen Sie handeln.
Es gilt die Faustregel: Finden fĂŒr einen SchĂŒler schĂ€digende Vorkommnisse mindestens 1-mal wöchentlich ĂŒber einen Zeitraum von mindestens 3 oder mehr Wochen hinweg statt, sollten Sie von Mobbing sprechen.
Sprechen Sie mit den Eltern
Haben Sie konkrete Hinweise gesammelt, dass einer Ihrer SchĂŒler Opfer von Mobbing-TatbestĂ€nden sein könnte, sollten Sie zeitnah die Eltern kontaktieren. Dem Kind muss so schnell wie möglich geholfen werden. Mobbing kann gravierende Auswirkungen haben, die sogar hĂ€ufiger als allgemein angenommen in den Selbstmord von SchĂŒlern fĂŒhren können. Gehen Sie bei dem GesprĂ€ch behutsam vor. FĂŒr die Eltern wird die Angelegenheit vermutlich ein groĂer Schock sein. Verharmlosen Sie nichts. So signalisieren Sie, dass Sie mit dem nötigen Ernst an die Sache herangehen. Legen Sie den Fokus des GesprĂ€chs unbedingt auf mögliche LösungsansĂ€tze. Stellen Sie den Eltern dazu Ihren 6-Punkte-Plan vor:
Punkt 1: FĂŒhren Sie eine âAnti-Mobbing-Einheitâ durch
KlĂ€ren Sie Ihre SchĂŒler in einer Unterrichtseinheit zum Thema âMobbingâ auf: Sprechen Sie darĂŒber, was man unter Mobbing versteht, wie z. B. Beschimpfen, Auslachen, Verletzen oder Ausgrenzen. Thematisieren Sie, welchen Druck der oder die TĂ€ter auf das Opfer ausĂŒben und dass der Teufelskreis des Schweigens durchbrochen werden muss. Machen Sie deutlich, dass Schweigen und Verleugnen auch strafbare Handlungen sind, die Sie nicht in Ihrer Klasse tolerieren.
Punkt 2: Helfen Sie dem SchĂŒler individuell
Kooperieren Sie mit einem Schulsozialarbeiter, dem Schulpsychologen oder einem externen Experten: Das Mobbing-Opfer braucht Hilfe, um aufzuarbeiten, was geschehen ist. Je nachdem, wie weit die Mobbing-Spirale bereits fortgeschritten war, kann die Aufarbeitung und Stabilisierung des SchĂŒlers Monate dauern. DrĂŒcken Sie ihm gegenĂŒber aus, dass Sie auf seiner Seite sind. Sprechen Sie darĂŒber, dass es beim Mobbing fĂŒr Sie eine Null-Toleranz-Grenze gibt und Sie massiv gegen das Verhalten der TĂ€ter vorgehen werden. Erarbeiten Sie mit den Eltern und natĂŒrlich dem Kind gemeinsam Schutzfaktoren, wie z. B. die Erlaubnis, wĂ€hrend der Pause in Begleitung einer Lehrkraft zu sein. Es sollte auch ein Augenmerk auf die StĂ€rkung des SchĂŒlers gerichtet werden: Opfer senden Signale aus, die TĂ€ter motivieren. Ihr SchĂŒler kann lernen, selbstbewusster aufzutreten und sich dadurch zu schĂŒtzen.
Punkt 3: Ermitteln Sie den oder die TĂ€ter
Nicht immer ist sofort offensichtlich, wer zum TĂ€terkreis gehört. Bieten Sie Ihren SchĂŒlern an, sich zu âstellenâ, um schĂ€rfere MaĂnahmen zu vermeiden. Meist ergreifen MitlĂ€ufer diese Chance, um âauszusteigenâ. Lassen Sie sich von diesen SchĂŒlern die ZusammenhĂ€nge erklĂ€ren. Oft können auch AuĂenstehende Augenzeugenberichte liefern. Die Ermittlung des oder der TĂ€ter(s) ist nicht nur fĂŒr den TĂ€ter-Opfer-Ausgleich wichtig, sondern auch fĂŒr das Therapieprogramm der mobbenden Seite: Auch ein TĂ€ter leidet unter dem, was er tut, und braucht Hilfe, Handlungsalternativen zu entwickeln.
Punkt 4: Sprechen Sie mit den TĂ€ter-Eltern
Informieren Sie einfĂŒhlsam die Eltern des TĂ€ters ĂŒber Ihre Beobachtungen. Legen Sie dazu Protokolle zu beobachtetem Verhalten und GesprĂ€chsprotokolle mit Aussagen von verschiedenen SchĂŒlern und Kollegen vor. Die Eltern werden zunĂ€chst wahrscheinlich nicht einsichtig und unterstĂŒtzend reagieren, sondern ihr Kind verteidigen. Stellen Sie klar, dass Sie das Verhalten des Kindes und nicht seine Persönlichkeit verurteilen. Bitten Sie die Eltern um Mithilfe, um dem SchĂŒler einen Ausweg zu zeigen und Handlungsalternativen anzubieten.
Punkt 5: Veranlassen Sie einen TĂ€ter-Opfer-Ausgleich
Einen sogenannten TAO sollten Sie veranlassen, wenn ein Konflikt einseitig verursacht wird, wie das bei Mobbing der Fall ist. Der TĂ€ter soll dadurch erfahren, dass seine Taten Konsequenzen haben. Das Opfer wiederum lernt dabei, sich konstruktiv zur Wehr zu setzen, ohne Rache zu ĂŒben. Im Zentrum steht meist eine Wiedergutmachung, wie z. B. das Ersetzen von zerstörtem Material oder der Kleidung, die entwendet wurde.
Punkt 6: SchlieĂen Sie einen Anti-Mobbing-Vertrag mit der Klasse
Formulieren Sie mit Ihren SchĂŒlern ein klares Mobbing-Verbot. Sprechen Sie darĂŒber, was dem Opfer hilft: Handeln statt wegschauen. Ăben Sie in Rollenspielen ein, was getan werden kann, um den Teufelskreis zu durchbrechen, wie Lehrer informiert werden und man sich auf die Seite des Opfers stellen kann, ohne selbst zum Opfer zu werden. HĂ€ngen Sie ein Anti-Mobbing-Plakat in der Klasse auf. Schreiben Sie darauf: âWenn dieser Vertrag gebrochen wird, verpflichte ich mich einzugreifen.â Lassen Sie alle SchĂŒler unterzeichnen.
Fazit
Haben Sie in Ihrer Klasse eindeutige Hinweise auf Mobbing gefunden, sollten Sie entschlossen reagieren. Dabei gilt es allerdings, nichts zu ĂŒberstĂŒrzen und sowohl Opfern als auch TĂ€tern zu helfen. Ein soziales Klassenklima entwickelt sich nicht von alleine.